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München: Was von 100 Tagen übrig blieb... Die documenta und das Lenbachhaus

https://www.lenbachhaus.de/entdecken/ausstellungen/detail/was-von-100-tagen-uebrig-blieb


18.07.2022 - 29.10.2022
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau Luisenstraße 33 80333 München
1955 fand in Kassel die erste documenta statt. 2022, 67 Jahre später, wurde die 15. Ausgabe der Ausstellung eröffnet. Die Ausstellung für 100 Tage galt über lange Zeit als verlässlicher Zustandsbericht über die Kunst ihrer jeweiligen Gegenwart und hat die Programmatik und die Sammlungen der Kunstmuseen der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig beeinflusst. Dabei ist sie immer auch ein bedeutender Motor der Institutionskritik gewesen: Was diskutiert, gesammelt und ausgestellt wurde, wurde und wird oft durch die documenta angestoßen. Auch in der Ausstellungsgeschichte des Lenbachhauses ist dieser Einfluss deutlich belegt. So wäre beispielsweise unser letztes Projekt, "Gruppendynamik – Kollektive der Moderne" ohne die Documenta11 von Okwui Enwezor nicht denkbar gewesen.

Heute werden die Geschichte der documenta und ihr Gründungsmythos kritisch betrachtet. Besonders die Kontinuitäten vom Nationalsozialismus bis zur jungen Bundesrepublik waren in den letzten Jahren Gegenstand der Forschung und der umfangreichen Ausstellung "documenta. Politik und Kunst" im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Auch der Status als "wichtigste Ausstellung der Gegenwartskunst der westlichen Welt" wurde ihr inzwischen aberkannt. Dennoch ist die documenta bis heute in all ihrer Widersprüchlichkeit eines der interessantesten Ausstellungsprojekte, das sich durch wechselnde kuratorische Teams auszeichnet. So hat sich die documenta trotz aller Krisen als Institution etabliert und durch die Definition neuer Ansprüche, Aufgaben und Strategien immer wieder aktualisiert.

Die wohl eindringlichsten Beispiele für die Wechselwirkung zwischen documenta und gesellschaftspolitischem Kontext sind die Reaktion der studentischen Reformbewegungen im Jahr 1968 mit der 4. documenta (1968), die geopolitischen Umwälzungen in der Sowjetunion und deren Einflussbereich mit der documenta X (1997), die Terroranschläge vom 11. September 2001 mit der Documenta11 (2002), der Krieg in Afghanistan mit der dOCUMENTA (13) (2012) oder die Austeritätspolitik der Europäischen Union sowie die Auswirkungen des Krieges in Syrien mit der documenta 14 (2017). Kuratieren heißt im besten Sinne eine Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Ästhetik und politischer Relevanz. Schon die erste documenta hatte mit ihrer Auslegung zur Nachkriegsordnung, dem Ost-West-Konflikt, eine Stoßrichtung vorgegeben, aus der die deutschen Museen ihre Agenden in den folgenden Jahren ableiteten. Unabhängig also davon, wie stark die documenta-Ausstellungen kritisiert wurden oder werden, ist es offensichtlich, dass der Einfluss auf die Museen – direkt oder mit zeitlicher Verzögerung – weitreichend war und ist. Es scheint fast offensichtlich, dass Museen ihre Kontinuität dazu nutzen konnten, die vielfache Vorreiterrolle der documenta zu reflektieren. So ist bei aller Kritik an den jeweils einzelnen Konzepten der documenta-Ausgaben doch anzuerkennen, dass die Museen durch diese Reflektion interessanter und relevanter geworden sind.

Nun präsentiert das Lenbachhaus anlässlich der 15. Ausgabe der documenta 2022 die Ausstellung "Was von 100 Tagen übrig blieb... Die documenta und das Lenbachhaus". Ein Parcours bedeutender Arbeiten aus allen documenta-Ausstellungen von der ersten Ausgabe 1955 bis zur 14. im Jahr 2017 dokumentiert, welche Arbeiten "von 100 Tagen" in einer musealen Sammlung sichtbar geblieben sind. Die Ausstellung zeigt am Beispiel des Lenbachhauses, welch wirkmächtiger Resonanzkörper die documenta in der bundesrepublikanischen Museumslandschaft bis in die Gegenwart ist. Das Lenbachhaus hat bis heute eine besonders enge Verbindung zur documenta. Standen doch bereits 1955 bedeutende Kunstwerke aus dem inneren Kreis des Blauen Reiter im Zentrum des Kasseler Projektes. Gemälde wie Gabriele Münters "Stillleben Grau" (1910), Franz Marcs "Rehe im Schnee II" (1911), oder Wassily Kandinskys "Parties diverses" (1940), sind heute diejenigen Werke, auf denen die internationale Wertschätzung der Sammlung des Lenbachhauses beruht.

Zu untersuchen bliebe, wie jenseits des Beispiels Lenbachhaus weitere Sammlungen bundesdeutscher Museen nachhaltig von der documenta beeinflusst worden sind. Es ist zu vermuten, dass die jeweiligen Museumssammlungen nur das ihnen als passend Empfundene aufgegriffen haben und damit die komplexen kuratorischen Zusammenhänge der gesammelten Werke verloren gehen. Da die documenta als temporäres Ereignis auf lediglich 100 Tage angelegt ist, Museen jedoch für die Ewigkeit funktionieren sollen, zeigen sich im Vergleich beider Formate deren programmatische Vor- und Nachteile.

Mit Werken von:

Nevin Alada
Marina Abramovic / Ulay
Joseph Beuys
Gianfranco Baruchello
Thomas Bayrle
Andrea Büttner
Mirjam Cahn
James Coleman
Robert Delaunay
Walker Evans
Valie Export
Öyvind Fahlström
Ceal Floyer
Rupprecht Geiger
Isa Genzken
Jochen Gerz
Gerhard von Graevenitz
Dan Graham
Gustav Hamos
Madelon Hooykaas/Elsa Stansfield
Asger Jorn
Wassily Kandinsky
Ellsworth Kelly
Imi Knoebel
Fritz Koenig
Alfred Kubin
Franz Marc
Gustav Metzger
Gabriele Münter
Olaf Nicolai
Herman Nitsch
Marcel Odenbach
Nam June Paik
Charlotte Posenenske
Gerhard Richter
Ulrike Rosenbach
Tejal Shah
Katharina Sieverding
Telewissen
Franz Erhard Walther

Eingetragen am: Sonntag, 24.07.2022
Letzte Änderung: Sonntag, 14.08.2022


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