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Herbert List: Der Gehörnte, Rom Travestere 1953, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv List © Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus

Herbert List: Der Gehörnte, Rom Travestere 1953, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv List © Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus

Hamburg: Herbert List. Das magische Auge

https://www.buceriuskunstforum.de/ausstellungen/herbert-list-das-magische-auge


14.05.2022 - 11.09.2022
Bucerius Kunst Forum Alter Wall 12 20457 Hamburg
Das Bucerius Kunst Forum präsentiert die erste internationale Retrospektive zu Herbert List (1903 – 1975) seit über zwei Jahrzehnten im Rahmen der 8. Triennale der Photographie Hamburg. Mit rund 240 Vintage Prints, Erstausgaben von Publikationen und nur selten gezeigten Reportage-Fotografien bietet sie einen einmaligen Überblick zum Œuvre des Hamburger Magnum-Fotografen. Die Zusammenarbeit mit dem Herbert List Estate und dem Münchner Stadtmuseum sowie die gemeinsame Kuration von Kathrin Baumstark, Direktorin des Bucerius Kunst Forums, und Ulrich Pohlmann, Leiter der Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum, hat dies ermöglicht.



Herbert List, 1903 als ältester Sohn eines Kaffeehändlers in Hamburg geboren, geht seinem frühen Interesse für Kunst und Fotografie ab 1930 intensiver nach und entscheidet sich 1936 für eine Fotografen-Laufbahn. Die Bedrohung durch die Nationalsozialisten als homosexueller Mann mit einem jüdischen Großvater veranlasst ihn 1936, Deutschland zunächst zu verlassen und nach Paris zu gehen. 1937 bricht er erstmals für einige Monate nach Griechenland auf, wohin er im Laufe seines Lebens immer wieder zurückkehren wird. Um einer Verhaftung in Griechenland zu entgehen, lässt er sich 1941 in München nieder. Die Stadt wird sein Lebenszentrum und Ausgangspunkt für seine zahlreichen Reisen.



Die Retrospektive gliedert sich in die sieben Kapitel Anfänge in Hamburg, Fotografia Metafisica, Griechenland, Junge Männer, Italien, Künstlerporträts und Reportage.



Hamburg ist der Ausgangspunkt für Lists fotografische Karriere. Angeregt durch seinen Freund, den Fotografen Andreas Feininger, der ihn von dem Erwerb einer neuen Rolleiflex überzeugt, beginnt er 1930 intensiver zu fotografieren. Er widmet sich Straßenszenen in Hamburg, wie am Hafen und am Bahnhof, sowie in näherer Umgebung an der Elbe und Ostsee und beschäftigt sich insbesondere mit dem Phänomen der Nacht. Themen, für die er später bekannt wird, deuten sich bereits mit geheimnisvollen, surrealen Motiven sowie Porträts junger Männer an. Auch sein spielerischer Umgang mit Licht und Schatten und starken Hell-Dunkel-Kontrasten ist schon erkennbar.



Die Fotografia Metafisica ist Lists Markenzeichen. Für Bilder, die eine geheimnisvolle Ausstrahlung aufweisen und auf eine Welt „hinter“ den sichtbaren Dingen verweisen, ist er bekannt geworden. Den Begriff hat Egon Vietta in Anlehnung an die Pittura Metafisica von De Chirico 1942 geprägt. Für seine ganz eigene Bildsprache verwebt List verschiedene künstlerische Einflüsse des Surrealismus, Neoklassizismus, der Pittura Metafisica, der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus. Die Aufnahmen – größtenteils Stillleben – realisiert er vor allem in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.



Griechenland ist Herbert Lists Sehnsuchts- und Zufluchtsort. Er verweilt dort in den Jahren 1937 bis 1941 immer wieder und kehrt auch nach Kriegsende mehrmals zurück. Die Begeisterung für das alte Griechenland teilt er mit seinen Zeitgenossen, so dass seine Aufnahmen in deutschen sowie französischen Magazinen abgedruckt werden. Für List ist die Kultur der Antike ein Idealbild, da auch die gleichgeschlechtliche Partnerschaft gesellschaftlich akzeptiert war. Er fotografiert vor allem antike Tempel und Skulpturen sowie junge Männer. Die Aufnahmen spiegeln das Zeitlose des alten Griechenlands, in einer klassizistischen und romantischen Bildsprache, teilweise aber auch an die Neue Sachlichkeit erinnernd. Neben der Kultur inspirierte List auch das besondere Licht in Griechenland. Sein Buchprojekt Licht über Hellas mit Aufnahmen von 1937/38 wird in Folge des Krieges erst 1953 veröffentlicht.



Fotografien von jungen Männern ziehen sich durch das gesamte Werk von Herbert List, womit er ein Bekenntnis zu seiner eigenen Homosexualität ablegt. Er inszeniert den männlichen Körper auf unterschiedliche Weise. Seine Aufnahmen von Freunden und Bekannten zeichnen sich durch Intimität und Nähe aus. Er zeigt Männer entgegen dem Geschmack der Zeit nicht betont maskulin-markant, sondern als verletzliche Menschen in bevorzugt spielerischen Darstellungen, die gelegentlich an weibliche Akte der Kunstgeschichte erinnern. Im Rahmen der Griechenlandbegeisterung lassen seine Modelle durch die Inszenierung ihrer Körper antike Skulpturen assoziieren.



Italien bereist List zu unterschiedlichen Zeiten. Während seines Aufenthalts in Rom 1953 wechselt er von der Mittelformatkamera auf eine Leica-Kleinbildkamera. Diese ermöglicht ein schnelles, spontanes und unbeobachtetes Fotografieren und führt dazu, dass List seinen Stil verändert. Waren seine Fotografien zuvor eher statisch, hält nun das Flüchtige in Form von Bewegung und Momentaufnahmen Einzug. Darüber hinaus interagiert List stärker mit den Menschen, was in den Straßenszenen in Rom und noch deutlicher in den Aufnahmen der Bewohner:innen Neapels der Jahre 1959 und 1961 sichtbar wird.



In der Nachkriegszeit wird List zum Porträtfotografen der Künstler:innen und Intellektuellen seiner Zeit. Dabei fotografiert er Maler:innen, Schauspieler:innen, Musiker:innen und Schriftsteller:innen wie Pablo Picasso, Marc Chagall, Georges Braque, Marlene Dietrich und Ingeborg Bachmann. Seine Porträts zeigen die Menschen hinter ihrem Werk und offenbaren ein besonderes Vertrauen zwischen dem Fotografen und Porträtierten. Neben Aufnahmen in Paris und in Italien der 1950er Jahre führt ihn ein Auftrag der 1960er Jahre für die Zeitschrift Du in das geteilte Berlin, wo er u.a. John Heartfield, Günter Grass und Helene Weigel einfängt.



Nach dem Zweiten Weltkrieg fotografiert List vermehrt das Zeitgeschehen in Form von Reportagen für Zeitschriften und die Tagespresse. Bilder vom zerstörten München erinnern in der Ästhetik an seine Aufnahmen antiker Ruinen in Griechenland. Zudem kann er einige Buchprojekte realisieren. List arbeitet intensiv mit der Illustrierten Heute zusammen, die über die höchste Auflage im amerikanischen Sektor verfügt. In großem Umfang publiziert auch die schweizerische Kunst- und Kulturzeitschrift Du seine Arbeiten und in der Süddeutschen Zeitung zählt er zu den am häufigsten gezeigten Bildautor:innen. So rezipiert eine Vielzahl interessierter Leser:innen seine Bilder und der Einfluss seiner Werke auf Nachwuchsfotograf:innen wird verstärkt. Als zeitgeschichtliche Dokumente sind die Reportagen von 1945/46 über den spektakulären Fund der NSDAP Mitgliedskartei und den Central Art Collecting Point, an dem von den Nationalsozialisten geraubte Kunstwerke gesammelt wurden, hervorzuheben, die bislang nur selten in einer Ausstellung gezeigt wurden.



Zur Schau erscheint im Hirmer Verlag ein umfangreicher Katalog mit Beiträgen von Kathrin Baumstark, Ludger Derenthal, Katrin Dyballa, Nadine Isabelle Henrich, Hans-Michael Koetzle, Bernhard Maaz, Ulrich Pohlmann, Peer-Olaf Richter und Esther Ruelfs (288 Seiten mit Abbildungen der ausgestellten Werke, 29,90 Euro in der Ausstellung).



Parallel zur Ausstellung Herbert List. Das magische Auge zeigt das Museum für Kunst und Gewerbe die Ausstellung Präuschers Panoptikum. Ein Bilderbuch von Herbert List vom 20. Mai bis 18. September 2022 mit der Weltpremiere des Fotobuchprojekts sowie Aufnahmen, die als Vorreiter des „Queer Gaze“ gelten.

Eingetragen am: Donnerstag, 07.04.2022
Letzte Änderung: Mittwoch, 29.06.2022


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