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Düren: Gregor Schneider - Marienstraße © Hans-Joachim Julius Erdmann Düren: Gregor Schneider - Marienstraße © Hans-Joachim Julius Erdmann Düren: Gregor Schneider - Marienstraße © Hans-Joachim Julius Erdmann Düren: Gregor Schneider - Marienstraße © Hans-Joachim Julius Erdmann Düren: Gregor Schneider - Marienstraße © Hans-Joachim Julius Erdmann

Düren: Gregor Schneider - Marienstraße

http://www.leopoldhoeschmuseum.de/


27.06.2010 - 15.08.2010
Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren Hoeschplatz 1 52349 Düren
Peill Preisträger 2008, Curator: Renate Goldmann
Es erscheint ein Katalog.

Gregor Schneider "Marienstraße" (2010) im Leopold-Hoesch-Museum, Düren
Ein neobarockes Gebäude in Düren mit einer üppig verzierten Fassade beherbergt das Leopold-Hoesch-Museum . Dort im ersten Stock kommt man in einen rechteckigen etwa 60 Quadratmeter großen weißen Raum, in dem sich nichts als eine Straße befindet.
Der obere Teil einer Laterne verschwindet in der mit quadratischen Gläsern abgehangenen Decke und spendet von dort ein schwaches, gebrochenes Licht. Obwohl vom Eingang her zusätzlich Tageslicht in den Raum fällt, wirkt die Szene dunkel und gespenstisch. Auf dem Boden ein vielleicht vier mal zehn Meter großes Stück Gehweg und Straße mit Gully und eben einer grünen Laterne, die bei genauerem Hinsehen einen Knick aufweist, so als sei Sie von einem Fahrzeug gerammt worden. Am Rand liegen Schmutz und Zigarettenkippen. Die Bordsteinkante weist fast auf der gesamten Länge frische Striemen auf, die durch Kettenfahrzeuge entstanden sein könnten. Man spürt, dass auf dieser Straße etwas passiert ist.
Der Titel der Arbeit „Marienstraße“ gibt eine erste Spur. Eine zweite die Publikation, die zu dieser Arbeit entstanden ist. Ein „Stadtplan“ von Pier, Gemeinde Inden, Kreis Düren im Maßstab 1:1500 Ausgabe 2010. Dort, wo sich die Marienstraße befunden hat, ist der Stadtplan weiß. Das Wort Marienstraße ist in den Quadranten gedruckt. Weiter links schließt sich der Braunkohle Tagebau Inden an.
Es handelt sich augenscheinlich um einen Teil der Marienstraße aus Pier, die in diesen Tagen dem Tagebau weichen muss. Alle Menschen, die bisher in diesem Ort gelebt haben, müssen ihren Lebensraum für immer verlassen. Er wird unter den riesigen Schaufelradbaggern in einem gigantischen Loch verschwinden. RWE power fördert hier die Braunkohle für die benachbarten Kohlekraftwerke.
Ich bin nach Pier gefahren. Die Marienstraße gibt es noch. Gerade noch. Die Häuser sind abgerissen, die Grundstücke planiert. In der Nähe hat RWE power begonnen, Löcher in den Boden zu bohren. Es sieht schon überall nach Bergbau aus. In nächster Zukunft wird diese Straße verschwunden sein. Man sieht es, man fühlt es, man riecht es.
Eine Straße mit Bürgersteig ist für mich normalerweise ein Sinnbild für Gemeinschaft, für Heimat. Eine Adresse. Die im Ausweis steht, auf jedem Brief und beim Notar eingeschrieben wird. Bürger erschließen mit der Straße die individuellen Grundstücke. Legen einen Namen fest. Beleuchten und reinigen sie. Führen Wasser und Strom zu und ab. Die Straße steht im Stadtplan, bei Google Maps, im Grundbuch. Normalerweise eine Immobilie. Eindeutig.
Doch Gregor Schneider belehrt uns eines Besseren. Immobilie ist sie nur in unserem Kopf. Wenn man sogar eine Straße in ein Museum bringen kann, was bleibt dann noch unverrückbar?
Vielleicht sehnen wir uns nach dem Unverrückbaren. Es könnte den Weg weisen in einer sich immer schneller verwandelnden Welt. Wir suchen ständig nach Orientierung, mit Konsum, mit Marken, mit Autos, mit Immobilien. Doch offenbar taugt das alles nichts.
Wir projizieren unsere Wünsche auf die Objekte, ohne dass sie auch nur einen Teil davon erfüllen können. Wenn wir uns das eingestehen, dann bleibt für einen Moment die Welt stehen, uns erfasst ein Grauen, eine Ahnung unserer Sterblichkeit. Wir durchschauen das Banale. Die ungeheure Brutalität.
Auf diesen Moment konzentriert sich Gregor Schneider. Er stellt Mittel zur Verfügung, einen solchen Moment zu erleben. Er schafft Bilder, die für einen Moment eine Ahnung heraufbeschwören. Auch wenn wir danach weiter leben, als sei nichts geschehen.

Eingetragen von: admin
am: Mittwoch, 23.06.2010
Letzte Änderung: Donnerstag, 01.07.2010